Welche Auswirkungen ein solcher Schicksalsschlag auf eine Partnerschaft hat, hängt natürlich auch stark von der Schwere und Art der Krankheit ab. Eine Krebserkrankung oder eine Querschnittslähmung hat ganz andere Konsequenzen für den Betroffenen und für den Partner als eine Depression oder eine Borderline-Erkrankung. Auch das Zusammenleben mit einem Suchtkranken kann sich wieder ganz anders gestalten. Jedes dieser Schicksale ist individuell und in manchen Fällen ist eine Partnerschaft schwerer zu meistern als in anderen. Ein Spaziergang ist es aber in keinem Fall und nicht selten kann eine Partnerschaft daran zerbrechen.
Gerade jetzt?
„Warum gerade jetzt?“ „Wie kannst du mich einfach im Stich lassen? Ich bin doch krank!“ Das sind die typischen als Fragen getarnten Vorwürfe, vor denen sich Menschen, die sich von einem kranken Partner trennen, fürchten.
Und bevor man zum Mittel der Trennung greift, setzt man sich genau mit diesen Fragen oft intensiv auseinander. Doch auch hier kann die Ausgangslage sehr unterschiedlich sein. Die einen wollten ihren Partner schon vor der Erkrankung verlassen, weil sie nicht mehr glücklich in ihrer Partnerschaft sind. Andere hätten die Ehe gerne weitergeführt, fühlen sich aber mit den Konsequenzen der Erkrankung überfordert und wieder andere haben sich mehr oder weniger bewusst auf einen kranken Menschen eingelassen und merken jetzt, dass sie die Schwierigkeiten unterschätzt haben, die das mit sich bringen kann. Die Gewissenskonflikte, die sich daraus ergeben, sind in allen drei Fällen ähnlich: Kann ich ihn/sie jetzt im Stich lassen? Sollte ich nicht dankbar für jede gemeinsame Minute sein? Braucht er/sie nicht gerade jetzt meine Liebe und Zuwendung?
Natürlich tut es besonders weh, in so einer schwierigen Situation verlassen zu werden und man würde sich selbst auch wünschen, dass der Partner in der Not für einen da ist. Hinzu kommen vielleicht noch gemeinsame Kinder, die man mit einer Trennung auch verletzen würde. Und – weniger altruistisch betrachtet: Man kann bei einer Scheidung von einem kranken Partner auch damit rechnen, womöglich Unterhalt wegen Krankheit und Gebrechen zahlen zu müssen. Alles Gründe, sich genügend Bedenkzeit zu nehmen, bevor man direkt das Handtuch wirft.
Wie weit reicht die Kraft?
Aber soll ich um jeden Preis bleiben? Gerade schwerwiegende Erkrankungen des Partners können das Zusammenleben sehr belastend machen. Kaum etwas kann seinen gewohnten Gang nehmen, in vielen Bereichen ist man eingeschränkt und muss Rücksicht nehmen. Vielleicht ist der baldige Tod des Partners absehbar. Man sieht, wie der Partner sich quält, und ist nicht wirklich in der Lage zu helfen. Hinzu kommen Verhaltensänderungen, die – gerade bei psychischen Krankheiten – direkt oder indirekt von der Krankheit kommen. Der andere wird vielleicht undankbar, mürrisch, traurig, lethargisch oder über die Maßen fordernd. Im schlimmsten Fall kommt gar nichts mehr an Liebe oder Bestätigung zurück – die Partnerschaft wird zu einem einseitigen Nehmen. Eine solche Veränderung geht nicht spurlos an der Liebe vorbei. Natürlich muss das nicht so sein, aber es ist durchaus denkbar.
Die wichtigste Frage, wenn es darum geht, zu entscheiden, ob man bleibt oder geht, ist dieselbe wie auch bei einem gesunden Partner: Ist die Liebe noch intakt? Denn nur dann kann man die Kraft finden, diese Hürde gemeinsam zu meistern, ohne sich selbst zu verlieren. Natürlich spielt es auch eine Rolle, wie lang man bereits zusammen bzw. verheiratet ist. Aber in keinem Fall sollte man aus Mitleid oder Pflichtgefühl zusammenbleiben. Auch der gesunde Partner hat das Recht auf eine normale Beziehung, bei der er auch etwas zurückbekommt und umgekehrt hat der Kranke ein Recht auf Ehrlichkeit. Denn gerade er braucht jemanden, der zu ihm steht und der auch die Kraft hat, zu ihm zu stehen.
Entsprechend ist die zweite wichtige Frage: Haben Sie die Kraft dafür? Wenn Sie das eher nicht glauben, sollten Sie besser den Notausstieg wählen. Wenn Sie nämlich Ihre eigenen Bedürfnisse verleugnen und gegen jede Vernunft bei Ihrem Partner bleiben, obwohl Sie es eigentlich nicht möchten, riskieren Sie Ihre eigene Gesundheit. Mit etwas Pech erkranken Sie selbst an Depression. In jedem Fall besteht aber das Risiko, dass Sie Ihren Partner später für Ihr eigenes Unglück verantwortlich machen.
Wenn Sie aber kämpfen wollen, müssen Sie das richtig angehen. Oft hilft erst mal eine Auszeit von der Situation, um sich über die Dinge klar zu werden. Dann muss auch der Kranke bereit sein, sich – soweit möglich – wie ein normaler Partner zu verhalten, der auch Ihre Bedürfnisse respektiert. Vor allem aber sollten Sie sich Hilfe von außen holen. Niemand sagt, dass Sie das ganz allein durchstehen müssen.