Auch wenn sie dem Umgang des Mannes mit dem Kind grundsätzlich zustimmte, hatte sie schon während des Scheidungsverfahrens einen Antrag auf Alleinsorge gestellt. Erst als sich das Verhältnis zwischen den Partnern Anfang 2007 wieder etwas entspannt hatte, nahm sie den Antrag zurück. Der Vater durfte sein Kind jedes zweite Wochenende sehen und es gab gemeinsame Gespräche beim Jugendamt. Die Übergabe wurde inzwischen durch den neuen Lebensgefährten der Mutter organisiert.
Streit und Funkstille
Im Sommer 2010 brachen aber mehrere Streitigkeiten zwischen den Ex-Eheleuten aus. Bei einem dieser Konflikte kam es zu „tätlichen Auseinandersetzungen“, die auch das Kind mitbekam. Das war für die Mutter Grund genug, die Umgangskontakte auszusetzen und erneut beim Amtsgericht das alleinige Sorgerecht und den Ausschluss des Umgangs für ihren Ex-Mann zu beantragen.
Im Verfahren warfen sich beide Alkohol- und Drogenmissbrauch vor. Beim Kindesvater wurde auch ein Drogentest durchgeführt. Ohne Ergebnis. Der Vater bekam dann vom Gericht auch weiterhin das Umgangsrecht gewährt, das alleinige Sorgerecht wurde aber an seine Ex-Frau übertragen. Die Begründung dazu lautete, dass zwischen den Eltern keine Kommunikation über Angelegenheiten des Kindes mehr möglich sei, weil die dafür nötigen sozialen Beziehungen zwischen ihnen fehlten.
Der Vater legte gegen dieses Urteil Beschwerde vor dem Oberlandesgericht ein. Vor Gericht wiederholte die Mutter die Argumentation des Amtsgerichts und sprach sich außerdem für eine klare Regelung aus, mit der man in Zukunft Streit vermeiden könne.
Das Kind als Zettelbote
Solcherlei Streit wurde inzwischen schon längst nicht mehr verbal oder gar persönlich ausgetragen, sondern fand über ein kompliziertes System statt, das den direkten Kontakt zwischen beiden Ex-Partnern vermeiden sollte. Man benutzte Zettel, die dann dem Kind mitgegeben wurden. Außerdem wurde der Kontakt per SMS über den neuen Lebensgefährten der Frau hergestellt, was oft in wüsten Wortgefechten gipfelte – zumindest so lange, bis der Kindesvater seine Handynummer gewechselt hatte. Für die Übergabe des Kindes klingelte der Mann an der Haustür und das Kind musste dann die fünf Etagen bis zur Wohnung seiner Mutter alleine zurücklegen.
Auch die Frau lehnte den Kontakt zu ihrem Ex-Mann ab. Die meiste Zeit kümmerte sie sich ganz allein um das Kind. Vor dem Oberlandesgericht betonte der Mann, dass er mit diesem Status einverstanden aber auch zur Mitwirkung bereit sei.
Alleinsorge ändert nichts
Trotz dieser verzwickten Situation wies das Gericht den Antrag auf Alleinsorge zurück. Wegen des im Grundgesetz geschützten Elternrechts könne die gemeinsame Sorge nur aufgehoben werden, wenn dem Kindeswohl nicht durch mildere Mittel entsprochen werden kann. Eine Aufhebung käme nur dann in Frage, wenn nicht mal mehr Kindesangelegenheiten von erheblicher Bedeutung gemeinsam geregelt werden könne.
Im betreffenden Fall könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Aufhebung des gemeinsamen Sorgerechts dem Kindeswohl besser entspricht als die Beibehaltung. Zwar fehle es an einer sozialen Beziehung zwischen den Elternteilen und auch die Kommunikation sei gestört, das Kind habe aber eine gute Bindung zu beiden Eltern und wurde bisher aus dem Konflikt herausgehalten. Auch habe das Kind den Wunsch geäußert, dass beide Eltern weiter über seine Belange entscheiden. Und ihm schien nicht bewusst zu sein, dass sie nicht mehr miteinander reden.
Außerdem habe sich der Mann damit abgefunden, dass seine Ex-Frau die Kindesbelange faktisch alleine regelt, und behindert sie dabei auch nicht. Auch sei, was die Beschimpfungen über Zettel und SMS betrifft, durch die Alleinsorge keine Besserung zu erwarten. Für das Kindeswohl mache es also keinen Unterschied, ob eine Aufhebung der gemeinsamen Sorge stattfindet.
Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt