Warum kriselt es gerade jetzt?
Kriselt es jetzt in Ihrer Ehe, liegt der aktuelle Ansatz wahrscheinlich darin, dass Sie in Ihrer ehelichen Wohnung aufeinandersitzen und Ihre persönlichen Freiräume vermissen. Arbeiten Sie oder Ihr Ehepartner im Home-Office und müssen vielleicht ein Kind oder mehrere im Home-Schooling betreuen? Dann ist ein befriedigendes Arbeiten nur möglich, wenn Sie einen Rückzugsort haben, an dem Sie ohne Störungen arbeiten können. Fehlt ein solcher Ort, ist es schwierig, sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Der Umstand, dass auch Ihr Partner selbst keinen Rückzugsort hat und Sie sich kaum ausweichen können, ändert nichts an der Situation. Es wird Ihnen also nichts anderes übrigbleiben, als sich mit den Gegebenheiten irgendwie zu arrangieren. Wie dies gelingt, ist eine Frage Ihrer Toleranz und Kreativität.
Wie groß ist das Risiko durch Beziehungsstress?
Ob der Stress infolge Corona ein echtes Risiko für Ihre Beziehung darstellt, wissen nur Sie selbst. Sie sollten sich jedenfalls nicht davon beeindrucken lassen, dass in China 2020 infolge der Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen eine erhöhte Anzahl an Scheidungen im Lockdown verzeichnet wurde. Die wochenlange Isolation zu Hause mit der Familie, in Wohnungen, in denen Familien oft auf allerengstem Raum miteinander auskommen müssen, ist nicht unbedingt mit unseren Gegebenheiten vergleichbar. Wir haben hierzulande, anders als vielleicht in China, durchaus Möglichkeiten, Stresssituationen entgegenzuwirken. So können Sie elektronische Kommunikationsmittel nutzen und dürfen die Wohnung immerhin zum Spaziergang verlassen. All dies bietet Entspannung.
Betrachten Sie Ihren Partner als Partner
Leben Sie in Ihrer Wohnung zusammen, sollten Sie Ihren Partner nicht nur als denjenigen betrachten, dessen Name auf der Heiratsurkunde steht, sondern als diejenige Person, mit der Sie als Partner zusammenleben. Gehen Sie mit Ihrer Partnerin oder Ihrem Partner also so um, wie Sie es selbst von Ihrer Partnerin oder Ihrem Partner erwarten.
Vermeiden Sie Lieblosigkeiten. Achten Sie darauf, was Sie sagen. Jedes noch so daher gesagte Wort kann unglaublich große Wirkungen entfalten, wenn es der Partner anders versteht, als Sie es eben mal so daher gesagt haben. Sie brauchen den Partner nicht wie ein rohes Ei zu behandeln. Dennoch gilt es, auf Befindlichkeiten Rücksicht zu nehmen und darauf zu achten, dass auch die Partnerin oder der Partner eine Person ist, die mit den Gegebenheiten zurechtkommen muss. Auch auf der Seite Ihres Partners dürfte das Nervenkostüm angespannt sein.
Möchten Sie Ihre Beziehung aufrechterhalten, sollten Sie wertschätzend und höflich sein. Betrachten Sie Ihre Beziehung als das Wertvollste, was Sie vielleicht haben. Berücksichtigen Sie, dass in der Situation, wie wir sie gerade erleben, Sorgen und Ängste nicht zu vermeiden sind. Seien Sie mitteilsam und äußern Sie, wie Sie selbst die Situation empfinden. Sagen Sie Ihre Worte so, dass sie nicht verletzend sind. Äußern Sie nicht einfach, dass Sie Ihre Ruhe haben wollen. Solche Worte sind destruktiv. Besser ist, wenn Sie konstruktiv äußern, dass es Ihnen gerade vielleicht nicht gut geht und Sie Ruhe brauchen. Äußern Sie Wünsche und vermeiden Sie Vorwürfe.
Äußert sich Ihr Partner, dürfen Sie ihn oder sie nicht abschätzig abweisen oder gar ignorieren. Greifen Sie eine Äußerung vielmehr konstruktiv auf und gehen Sie auf Befindlichkeiten ein. Versuchen Sie möglichst viel Positives zu sagen und vermeiden Sie Negatives. Alles, was negativ daherkommt, mündet schnell darin, dass böse Absichten unterstellt werden.
Brauchen Sie jetzt seelische Unterstützung, sollten Sie Ihren Partner genau darum bitten. Wissen Sie selbst nicht, was Sie wollen oder brauchen, gehen Sie lieber an die frische Luft. Erklären Sie, dass Sie später mitteilen, was los ist.
Wenn Sie Ihre Wohnung als Gefängnis empfinden, sollten Sie daran denken, was der ehemalige Astronaut Thomas Reiter sagte. In der Enge einer Raumstation sei es wichtig, sich auf die Dinge zu konzentrieren, die man verändern könne. Mit dem, was man gerade nicht verändern könne, müsse man sich abfinden. Versuchen Sie, Routinen zu folgen. Leben Sie nicht einfach so in den Tag hinein. Dann haben Sie ein Stück Kontrolle über Ihre Situation. Diese Kontrolle wirkt entspannend.
Ein guter Tipp: der CORON-A-MAT
Das Bundesministerium für Gesundheit empfiehlt auf der medizinischen Ebene eine frühestmögliche Impfung, wartet im Bereich der Neuen Medien aber auch mit etwas anderem auf: dem CORON-A-MAT.
CORON-A-MAT ist ein Online-Tool, das per Zufall Quarantäne-Tipps gegen Langeweile, Einsamkeit, Angst und Beziehungsstress generiert. Im Video wird die Initiative vorgestellt.
Ein nur möglicherweise guter Tipp: Katze & Co.
Viele Paare holen sich, je länger die Maßnahmen der Regierung andauern, zur Ablenkung oder Überwindung ihrer Probleme einen zusätzlichen, tierischen Bewohner ins Haus.ein neues Zuhause mit Unterhaltungsprogramm zu bieten, kann Paare wieder zusammenschweißen – keine Frage. Jedoch schiebt es die Lösung für die wahren Probleme der Beziehung eventuell nur auf. Darüber hinaus bleibt das Tier nach Ende der Pandemie ja bei Ihnen, und es zu betreuen bedarf einer kontinuierlichen Übernahme von Verantwortung. Hamster & Co. sollten nicht von einem Puffer zur erneuten Last werden, das verdient keine Kreatur.
Auch wenn Corona nicht gerade die Hochzeitsraten in die Höhe schnellen lässt, muss Ihr Interesse an der Scheidung noch nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Ehepartner oder andere Paare, deren Langzeitbeziehung unter Stress steht, nehmen Worte wie Trennung oft voreilig in den Mund.
Sie, aber auch frisch Verliebte in der ersten wirklichen Belastungsprobe, sollten sich aber die Mühe machen, Ihre derzeitige Situation mit einer Situation zu vergleichen, die sich danach ergeben könnte. Möglicherweise erscheint Ihr derzeitiger Beziehungsstress dann nur noch wie ein Scheinriese. Ein Scheinriese ist eine Figur, die aus der Ferne riesig erscheint. Je weiter Sie sich der Figur nähern, desto kleiner wird sie. Am Schluss stellen Sie fest, dass die Figur eine ganz normale Größe hat.
Dieser Artikel erschien erstmalig am 27. April 2020 und wurde im Zuge der Verlängerung des zweiten Lockdowns wegen der Corona-Pandemie am 04.02.2021 aktualisiert.