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Definition - Wie weit darf ein Elternteil vom anderen wegziehen?

DEFINITION

Wie weit darf ein Elternteil vom anderen wegziehen?

Nach der Scheidung besteht das gemeinsame Sorgerecht beider Elternteile und damit auch das gemeinsame Aufenthaltsbestimmungsrecht fort. Möchte ein Partner „legal“ auswandern, muss er sich vom Familiengericht das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen lassen. Entscheidend für Gerichte ist in Streitfällen jedoch nicht, ob der Erwachsene triftige Gründe für den Umzug ins Ausland hat, sondern ob die Auswanderung nicht dem Kindeswohl entgegensteht.

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Kurzfassung - Alles auf einen Blick

  • Solange das gemeinsame Sorgerecht besteht, entscheiden beide Elternteile auch gemeinsam über den Aufenthalt des Kindes.
  • Wandert ein Partner mit dem Kind ins Ausland aus, ohne dass die Zustimmung des insoweit gleichfalls sorgeberechtigten anderen Elternteils vorliegt, riskiert er, sich wegen Kindesentführung strafbar zu machen.
  • Um Fragen des Kindeswohls zu prüfen, ist darauf abzustellen, welcher Elternteil dem Kind die besten Entwicklungsmöglichkeiten bietet, inwieweit die dafür notwendige Erziehungseignung und Erziehungsfähigkeit besteht, wie die Bindungen des Kindes sind, ob es geboten erscheint, das Kind in seiner gewohnten sozialen Umgebung zu belassen und nicht zuletzt, was sich das Kind selber wünscht.

Wie ist die Rechtslage bei Sorgerecht und Umgangsrecht nach der Scheidung?

Schaubild

Eltern üben das Sorgerecht über ihr Kind gemeinsam aus. Dazu gehört auch, dass Sie den Aufenthalt des Kindes gemeinsam bestimmen. Bei Meinungsverschiedenheiten müssen Sie versuchen, sich zu einigen (§ 1627 BGB). Die Scheidung ändert daran nichts. Keinesfalls ist es so, dass das Kind nach der Trennung oder Scheidung automatisch bei dem Elternteil verbleibt, der die bisherige Ehewohnung behält oder faktisch bei der Mutter bleibt. Oft schafft ein Elternteil Fakten, indem sie oder er das Kind in Obhut nimmt. Gelingt keine Einigung, bleibt in letzter Konsequenz nur, das Familiengericht anzurufen.

 

Das Familiengericht kann das Sorgerecht einem Elternteil allein oder auch nur das Aufenthaltsbestimmungsrecht einem Elternteil übertragen. Solange es diesbezüglich keine gerichtliche Entscheidung gibt, verbleibt es beim gemeinsamen Sorgerecht beider Elternteile.

GUT ZU WISSEN

Umgangsrecht bleibt von alleinigem Sorgerecht unberührt

Auch wenn ein Elternteil aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung allein über den Aufenthalt des Kindes entscheiden darf, bleibt das Umgangsrecht des anderen Elternteils bestehen. Das Umgangsrecht kann nur in Ausnahmefällen entzogen werden, in denen es darum geht, eine Gefährdung des Kindeswohls zu verhindern. Dabei geht es um Fälle, in denen sich ein Elternteil als offensichtlich erziehungsungeeignet erweist.

Wann ist die Auswanderung mit dem Kind ins Ausland als Kindesentführung strafbar?

Solange das gemeinsame Sorgerecht besteht, macht derjenige sich der Kindesentführung strafbar, wer das gemeinsame Kind ohne die Zustimmung des anderen Elternteils ins Ausland verbringt (§ 235 Abs. II StGB). Gleiches gilt, wenn man dort zunächst Urlaub macht und das Kind dann nicht mehr nach Deutschland zurückbringt.

 

Soweit mit dem jeweiligen Auslandsstaat ein Rückführungsübereinkommen besteht, kann der in Deutschland verbliebene Elternteil mit staatlicher Hilfe die Rückforderung des Kindes nach Deutschland in die Wege leiten. So haben etwa 90 Staaten das Haager Übereinkommen zur Rückführung von ins Ausland verbrachter Kinder unterzeichnet. Ansprechpartner in Deutschland ist die Zentrale Behörde für internationale Sorgerechtskonflikte beim Bundesamt für Justiz in Bonn.

GUT ZU WISSEN

Kommt es häufig vor, dass ein Elternteil ohne Zustimmung des anderen mit dem Kind ins Ausland umzieht?

Im Jahr 2016 hat die Zentrale Behörde für internationale Sorgerechtskonflikte im Bundesamt für Justiz 380 Fälle von Entführungen deutscher Kinder bearbeitet. Damit sind Fälle gemeint, bei denen die Kinder ins Ausland verbracht wurden. Die Dunkelziffer liegt mit Sicherheit höher.

Was wäre der legale Weg, mit dem Kind ins Ausland umzuziehen?

Möchten Sie mit dem Kind ins Ausland umziehen, können Sie die Übertragung des alleinigen Sorgerechts für das gemeinsame Kind beim Familiengericht beantragen. Das Gericht kann das gemeinsame Sorgerecht dann aufheben und Ihnen allein übertragen. Allein die wünschenswerte räumliche Nähe des anderen Elternteils zum Kind ist kein Kriterium für den Fortbestand des gemeinsamen Sorgerechts.

 

Die Übertragung des alleinigen Sorgerechts ist aber eher auf Ausnahmefälle beschränkt. Im Regelfall sprechen die Gegebenheiten für den Fortbestand des gemeinsamen Sorgerechts.

 

Geht es Ihnen ausschließlich darum, den Aufenthalt des Kindes allein zu bestimmen, sollten Sie bei Gericht allenfalls beantragen, Ihnen das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen und das gemeinsame Sorgerecht im Übrigen fortbestehen lassen. Auch wenn eine größere Entfernung die Sorge und den Umgang mit dem Kind schwieriger gestalten, bestehen nämlich angesichts moderner Kommunikationsmittel keine Bedenken, das gemeinsame Sorgerecht beizubehalten.

 

Zu prüfen ist auch, ob Ihre Meinungsverschiedenheiten nicht allein dadurch schon beigelegt werden können, dass Ihnen als dem betreuenden Elternteil lediglich das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen, das Sorgerecht im Übrigen aber aufrechterhalten wird. Die Entfernung allein rechtfertigt es jedenfalls nicht, dem nicht betreuenden Elternteil das Sorgerecht vollständig zu entziehen. Voraussetzung ist allerdings, dass die Eltern immer noch in der Lage sind, sich über die Angelegenheiten des Kindes zu verständigen. Nur dann macht es überhaupt Sinn, den nicht betreuenden Elternteil in die Verantwortung für das Kind im Rahmen des Sorgerechts einzubeziehen.

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Kann ich das alleinige Sorgerecht oder wenigstens das Aufenthaltsbestimmungsrecht beantragen?

Auf die Frage gibt es keine pauschalen Antworten. Allein die unterschiedlichen Gerichtsentscheidungen zeigen, wie schwierig es ist, im Einzelfall eine überzeugende Lösung für die Problematik zu finden. Es kommt immer auf die Umstände im Einzelfall an. Diese lassen sich am besten anhand konkreter Fälle verdeutlichen.

 

  • Möchten Sie mit Ihrem Kind ins Ausland umziehen, entspricht die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts nicht dem Kindeswohl, wenn das Umgangsrecht des Vaters aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens als sicher ausgeschlossen zu beurteilen ist (OLG Koblenz, FamRZ 2010, 1572).

 

Im Fall des OLG Koblenz wollte die Mutter nach Italien umziehen. Die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts scheiterte, da die Mutter keine triftigen Gründe vortragen konnte, die das Umgangsinteresse von Kind und anderen Elternteil überwogen hätten. Solche Gründe fehlen schließlich, wenn der Umzugswunsch nicht durch eine ernsthafte und wohlbegründete Planung des umzugswilligen Elternteils begründet ist, wenn gefestigte soziale Bindungen am Zielort fehlen und das vorrangige Ziel des Umzugs ins Ausland darin besteht, den Umgang mit dem anderen Elternteil zu vereiteln. Ihren Antrag hatte die Mutter damit begründet, dass sie wegen einer neuen Beziehung zu einem Mann nach Italien umsiedeln wollte. Hinzu kam, dass der Umzug gerade den Zweck hatte, das Umgangsrecht des Kindesvaters zu torpedieren.

 

  • In einem Fall des OLG Köln (Entscheidungssammlung Familienrecht 1999, 21) wurde die Übertragung des alleinigen Sorgerechts abgelehnt, weil der Elternteil nicht konkret und nachvollziehbar belegen konnte, dass der andere Elternteil mit ausländischer Staatsbürgerschaft sein Sorgerecht dazu missbrauchen würde, das gemeinsame Kind in sein Heimatland zu verbringen.
  • In einer Entscheidung des OLG Nürnberg (Az. 10 UF 1899/11) beantragte die in Irland geborene Mutter die Zuerkennung des alleinigen Sorgerechts. Um die Ausreise nach Irland zu verhindern, beantragte der Vater die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts. Dazu trug er vor, dass der Umgang mit dem Kind so gut wie unmöglich werde und sich das Kind von ihm völlig entfremden würde.

 

Das Gericht stellte darauf ab, dass das Kind es vorzog, bei der Mutter zu bleiben. Auch wenn das Kind ein natürliches Interesse habe, die Beziehung zum Vater aufrechtzuerhalten, sei die Beziehung zur Mutter die stärkere Verbindung. Daher rechtfertige es das Wohl des Kindes, das Aufenthaltsbestimmungsrecht bei der Mutter zu belassen. Der Vater müsse insoweit akzeptieren, dass seine Umgangskontakte im Interesse des Kindes erschwert würden.

 

  • In einem Fall des Kammergerichts Berlin (18 UF 83/0) beabsichtigte die Mutter, die das Aufenthaltsbestimmungsrechts innehatte, mit den Kindern nach Peking umzuziehen, weil sie dort als Auslandskorrespondentin arbeiten wollte. Zwar können berufliche Gründe einen Umzug ins Ausland rechtfertigen. Da in diesem Fall die Kinder aufgrund ihrer seelischen Verfassung infolge der konfliktträchtigen Trennung der Eltern auf eine kontinuierliche Betreuung in ihrem gewohnten sozialen Umfeld angewiesen waren, wurde der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen und auf den Vater übertragen.
  • In einem Fall des BGH (FamRZ 2010, 1060) wollte die Mutter mit der Tochter nach Mexiko auswandern. Nachdem das OLG München ihr das Aufenthaltsbestimmungsrecht zunächst übertragen hatte, hob der Bundesgerichtshof die Entscheidung auf. Es komme nämlich nicht darauf an, ob der auswanderungswillige Elternteil triftige Gründe habe. Vielmehr müsse der Wille des damals siebenjährigen Kindes ermittelt werden. Nur dann, wenn das Kindeswohl nicht entgegenstehe, komme die Auswanderung in Betracht.

Wie beurteilen Gerichte den Antrag auf ein alleiniges Sorgerecht?

Beantragen Sie das alleinige Sorgerecht, bleibt dem anderen Elternteil trotzdem ein Umgangsrecht sowie das Recht auf Auskunft über die Lebensverhältnisse des Kindes erhalten. Streiten Sie ausschließlich über das Aufenthaltsbestimmungsrecht, wird das Gericht auch nur insoweit eine Entscheidung treffen und das Sorgerecht im Übrigen unangetastet lassen. Wird der Antrag zurückgewiesen, verbleibt es beim gemeinsamen Sorgerecht und damit auch beim gemeinsamen Aufenthaltsbestimmungsrecht beider Elternteile.

 

Demgemäß ist die Übertragung des alleinigen elterlichen Sorgerechts auf einen Elternteil verfassungswidrig, wenn Sie Ihre Meinungsverschiedenheiten zur Regelung des Aufenthaltsbestimmungsrechts bereinigen können (BVerfG, Urteil v. 1.3.2004, abrufbar unter iww.de Nr. 041171). Insoweit besteht kein Grund, das gemeinsame Sorgerecht infrage zu stellen. Im Fall hatte die Kindesmutter nach der Trennung vom Partner die Übertragung des alleinigen Sorgerechts für ihre Kinder beantragt. Sie war Spanierin und wollte mit den Kindern nach Spanien umziehen. Der Vater wollte den Umzug verhindern.

 

Die Gerichte müssen daher prüfen, ob die Meinungsverschiedenheiten der Eltern statt der Übertragung der alleinigen Sorge nicht schon bereits durch die Regelung des Aufenthaltsbestimmungsrecht beigelegt werden können. Dazu ist zu prüfen, ob zwischen den Eltern eine tragfähige soziale Beziehung besteht und sie in der Lage sind, vernünftig miteinander umzugehen. Solange keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Eltern kooperationsunfähig sind und der Konflikt allein auf Meinungsverschiedenheiten über den Aufenthalt der Kinder beruht, kommt die Übertragung der Alleinsorge nicht in Betracht.

 

Dabei fällt nicht unbedingt ins Gewicht, dass der Vater im Fallbeispiel die Kinder in Spanien hätte besuchen müssen, weil er aufgrund seines Berufes als Pilot in der Lage war, den Kontakt mit den Kindern aufrechtzuerhalten. Soweit also eine Kooperationsfähigkeit und Kooperationsbereitschaft zwischen den Eltern besteht, kommt nur die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts, nicht aber die Übertragung der Alleinsorge, in Betracht.

 

Im Übrigen stellt die Rechtsprechung auf das Kindeswohl ab und prüft folgende Aspekte:

 

  • Wie ist die Bindungsstärke des Kindes zum jeweiligen Elternteil und Geschwistern?
  • Inwieweit wird die Bindungskontinuität beeinträchtigt?
  • Inwieweit wird die Kontinuität in der sozialen Umgebung des Kindes (Verwandten- und Freundeskreis) beeinträchtigt?
  • Wie steht es um die Erziehungsfähigkeit des jeweiligen Elternteils?
  • Was wünscht sich das Kind selbst?

GUT ZU WISSEN

Der Eindruck vor Gericht

Nach der Rechtsprechung kommt es nicht unbedingt darauf an, ob Sie für Ihren Auswanderungswunsch triftige Gründe haben. Vermitteln Sie den Eindruck, Sie wollten durch die Auswanderung das Umgangsrecht des anderen Elternteils vereiteln, können sich daraus Zweifel an Ihrer Toleranzfähigkeit und damit an Ihrer Erziehungseignung ergeben. Andererseits haben die Familiengerichte im Rahmen der Lebensplanung den Auswanderungswunsch eines Elternteils auch zu akzeptieren. Deshalb müssen die Gerichte umfassend ermitteln, welche Folgen die Auswanderung für das Kind hat (BGH, Beschluss v. 8. 20.4.2010, Az. XII ZB 81/09).

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Ausklang - Am Ende wird alles immer gut

Auch nach der Trennung ist und bleibt der andere Elternteil Elternteil des Kindes. Wenn Sie ins Ausland umziehen, ignorieren Sie möglicherweise die Interessen Ihres Kindes, in seiner gewohnten Umgebung verbleiben zu wollen. Vielleicht schaffen Sie sich nur noch zusätzliche Probleme. Im Interesse aller Beteiligten kann es mindestens empfehlenswert sein, auf einvernehmliche Lösungen hinzuwirken. Sie sollten mindestens ernsthaft darüber nachdenken.

 

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