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Montag, 04.03.2013 , geschrieben von iurFRIEND-Redaktion
Kindern unterhaltsrechtlich Vorrang gewähren und geschiedenen Eltern die Chance, eine zweite Familie nicht nur gründen, sondern auch sorglos finanzieren zu können – dafür wurde das Unterhaltsrecht 2008 angepasst. Das Recht sollte an die gesellschaftlichen Veränderungen angepasst und es gleichzeitig einfacher sowie transparenter werden. Welche Änderungen haben sich daraus in der Rechtsprechung ergeben?
Neuerungen im Unterhaltsrechtsänderungsgesetz 2008
Mit den Änderungen sollte das Unterhaltsrecht die Lage von Familien in verschiedenen Konstellationen besser erfassen. Dazu gehören:
Patchworkfamilien mit Kindern aus der vorigen Ehe und Kindern aus der aktuellen Beziehung
Unverheiratete Elternpaare
Alleinerziehende
Ziele waren die Stärkung des Kindeswohls und des Grundsatzes der Eigenverantwortung nach der Scheidung. Was sind die zentralen rechtlichen Neuerungen?
Einführung einer neuen Rangfolge bei Unterhaltsansprüchen: Bislang waren Kinder gleichberechtigt mit (alten und neuen) Ehepartnern. Mit der Änderung genießen Kinder fortan absoluten Vorrang und der Unterhaltspflichtige muss zunächst den Kindesunterhalt begleichen. Ist danach kein ausreichendes Einkommen mehr verfügbar, wird der Ehegattenunterhalt oder andere nachrangige Ansprüche gekürzt oder gar gestrichen. Von der neuen Rangfolge profitieren auch Alleinerziehende und Unverheiratete. Denn sie werden mit verheiraten bzw. geschiedenen Elternteilen gleichgestellt.
Eigenverantwortung wird zur Obliegenheit: Der Grundsatz, dass Ex-Ehepartner nach der Scheidung für ihren eigenen Lebensunterhalt sorgen müssen, soll untermauert werden. Dazu finden Kinderbetreuungsmöglichkeiten bei der Prüfung eines Anspruchs wegen Kinderbetreuung mehr Beachtung, sodass der Wiedereinstieg ins Berufsleben gefördert wird. Für den Unterhaltsberechtigten gelten also höhere Anforderungen, wenn er darlegen möchte, dass eine Arbeit für ihn unzumutbar ist, weil er das Kind betreut.
Neue Härtefallklausel: Künftig soll es noch einfacher sein, Unterhaltsansprüche zu kürzen und zu befristen. Die Möglichkeit existierte bereits vor dem Änderungsgesetz, soll nun jedoch direkt nach der Scheidung zum Zuge kommen können. Dabei wird auch der Fall der verfestigten Lebensgemeinschaft erfasst.
Das neue Unterhaltsrecht vor Gericht
Schaubild
Ein Blick in die Praxis zeigt, dass das neue Unterhaltsrecht auch die Rechtsprechung in vielen Fällen beschäftigt hat.
Befristung des Unterhalts bereits nach altem Recht zulässig
Dass Unterhaltsansprüche auch schon vor der Änderung 2008 befristet werden konnte, verdeutlicht ein Beispiel des Bundesgerichtshofs (BGH), in dessen Urteil vom 16. März 2013 (Aktenzeichen XII ZR 39/10) das Unterhaltsrechtsänderungsgesetz ausdrücklich nicht entscheidend war. In dem Fall ging es um eine Unterhaltsbefristung:
Der deutsche Kläger hatte seine aus der Ukraine stammende Frau im Mai 1990 geheiratet. Die Ehe der beiden blieb kinderlos und die Scheidung folgte im März 2005. Der Ehemann wurde dabei zur Zahlung von Aufstockungsunterhalt verurteilt.
Im Mai 2006 klagte der Mann auf einen Wegfall der Unterhaltspflicht nach Ablauf eines Jahres beim Amtsgericht Schwerin. Seine Ex-Frau klagte auf Erhöhung des Unterhalts. Das Amtsgericht wies die Klage ab. Der Mann wurde dazu verurteilt, seine Unterhaltsrückstände und einen unbefristeten laufenden Unterhalt zu zahlen. Der Mann wollte dabei eine Befristung seiner Unterhaltsverpflichtungen auf den 31.12.2007 erreichen. Auf Initiative der Frau kam es nun zu einem Revisionsverfahren. Sie wollte einen Wegfall der Befristung und eine erneute Anhebung des Unterhalts erreichen. Ihre Revision scheiterte.
Sodann hatte der BGH den Fall zu entschieden. Er stimmte der Vorinstanz weitgehend zu, wich jedoch von der Ansicht ab, dass die Abänderungsklage zulässig sei, weil die Frau seit dem 1. Januar 2008 wegen der durch das Unterhaltsrechtsänderungsgesetz erfolgten Rechtsänderungen unterhaltsrechtlich gegenüber der Beklagten nicht mehr nachrangig sei. Der BGH betont, dass die Befristung und Begrenzung von Unterhalt auch schon vor dem Änderungsgesetz möglich waren.
Alleinerziehende müssen schneller wieder in den Job zurückkehren
Im Urteil vom 18. März 2009 (Aktenzeichen XII ZR 74/08) schränkte der BGH den Unterhalt für eine Alleinerziehende ein und entschied, dass diese früher als vor den Änderungen wieder in Vollzeit arbeiten müsse. In dem zugrunde liegenden Fall stritten die getrennten Eltern um nachehelichen Unterhalt. Die Mutter betreute das gemeinsame Kind und arbeitete in Teilzeit. Zunächst wurde der Vater zu Betreuungs- und Aufstockungsunterhalt verurteilt. Auch die dagegen gerichtete Berufung seitens des Vaters scheiterte.
Der BGH hob die Entscheidung jedoch auf: Denn ab Vollendung des dritten Lebensjahres sei Betreuungsunterhalt nur noch zuzusprechen, wenn dies im Einzelfall so auch gerecht sei. Vorliegend konnte das Kind bis 16 Uhr einen Hort besuchen und es sei der Mutter zumutbar, in diesem Rahmen eine Vollzeittätigkeit aufzunehmen.
CHECKLISTE
Was muss ich zum Kindesunterhalt wissen?
Beide Elternteile sind dem Kind zum Unterhalt verpflichtet - doch was ist nach der Trennung zu beachten?
Das OLG Celle stellte in seinem Beschluss vom 10.10.2008 (Aktenzeichen 10 WF 322/08) Folgendes klar:Ein Ex-Partner kann den Anspruch auf Unterhalt verlieren, wenn der andere Ex-Partner aufgrund einer neuen Beziehung und einem daraus hervorgegangenen Kind andere vorrangige Unterhaltspflichten zu erfüllen hat.
In dem zugrunde liegenden Fall hatte ein Mann gegenüber seiner Ex-Frau eine monatliche Unterhaltspflicht in Höhe von 320 EUR. Sie waren 12 Jahre lang miteinander verheiratet, hatten keine gemeinsamen Kinder und die Frau war während der Ehe erwerbsunfähig geworden. Nach der Scheidung ging aus der neuen Beziehung des Mannes ein Sohn hervor. Aufgrund seiner neuen Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Partnerin und Kind wollte der Mann den Unterhaltstitel abändern lassen. Für das Verfahren beantragte er Prozesskostenhilfe, die ihm zunächst versagt wurde. Als Begründung führte das Gericht an, dass keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bestehe, da die neue Partnerin und die Ex-Frau unterhaltsrechtlich gleichrangig seien.
Das OLG Celle sah dies jedoch anders. Der Familiensenat wies darauf hin, dass die Ex-Frau nicht auf dem gleichen Unterhaltsrang stehe, da die Ehe kinderlos war und keine lange Ehe bestand. Außerdem gelten nach den Unterhaltsrechtsänderungen strengere Anforderungen. Da die Erwerbsunfähigkeit nur im Verlauf der Ehe, aber nicht aufgrund der Ehe entstanden war, sei darin kein ehebedingter Nachteil zu sehen. Insgesamt dürfte die Ex-Frau also keinen Anspruch auf Unterhalt mehr haben.
Alles in allem
Das Unterhaltsrechtsänderungsgesetz von 2008 hat also die finanzielle Situation vieler Patchworkfamilien verändert. So manche Unterhaltsfrage fiel nach der neuen Rechtslage anders aus als zuvor, insbesondere wenn es um die Rangfolge von Ansprüchen oder die Beurteilung des nachehelichen Unterhalts wegen Kinderbetreuung ging. Dies zeigt, dass eine anwaltliche Prüfung des Unterhaltsanspruchs, auch die erneute Prüfung eines bereits bestehenden Unterhaltstitels, unerlässlich ist – sowohl Unterhaltsempfänger als auch Unterhaltszahler sollten sich vergewissern, dass die Unterhaltshöhe nach aktuellen Vorgaben richtig ist.